Kneipp-Güsse

Sebastian Kneipp
Obwohl Sebastian Kneipp in erster Linie für seine Wasserkuren bekannt ist, gehen seine Prinzipien eines gesunden Lebens über das Wassertreten, Waschen und Wickeln hinaus. So praktizierte er zusätzlich Kräutermedizin und gab Ratschläge für einen gesunden, natürlichen und ausgewogenen Lebensstil. Mit der Veröffentlichung seiner Ideen Ende des 19. Jahrhunderts erlangte nicht nur die Hydrotherapie, sondern auch Kneipps ganzheitliches Gesundheitsverständnis, das auf die Harmonisierung von Körper, Geist und Seele des Menschens abzielt, weltweite Anerkennung. Insofern schuf Kneipp ein naturheilkundliches Gesundheitskonzept, das auch heute noch seine Anwendung findet.

Indikation
Als medizinisch sinnvoll angesehen wird die Kneipp-Therapie vor allem bei Patienten mit leichter chronischer Herzinsuffizienz, mit einer arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck), mit einer chronisch-venösen Insuffizienz, mit muskulären Verspannungen im Wirbelsäulenbereich und mit polyneuropathischen (Schädigung des peripheren Nervensystems, zum Beispiel im Rahmen eines Diabetes mellitus) Beschwerden. Auch bei nicht organischen, unspezifischen Schlafstörungen ist eine Kneipp-Kur zu empfehlen. Als kontraindiziert sind schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen anzusehen. Auch Schwindelbeschwerden können durch die Kneippsche Hydrotherapie verschlechtert werden.
Angesichts der „dünnen Datenlage“ gibt es aber keine sicheren, wissenschaftlichen (signifikanten) Belege für den Effekt einer Kneipp-Therapie. Insofern haben die Kneippschen Anwendungen im Rahmen der evidenzbasierten Medizin an Bedeutung verloren.

Kneipp-Therapie
In den Sankt-Rochus-Kliniken werden „ambulante Vorsorgekuren“ (offene Badekuren) und „ambulante Rezeptleistungen“ mit Methoden der Kneipp-Therapie angeboten. So verfügt die hauseigene Bäderabteilung über einen Kneippschen Wassertretgraben und über die Möglichkeit zur Durchführung Kneippscher Güsse. Unter anderem werden Schenkel-, Arm-, Rücken-, Nacken- und Vollgüsse durchgeführt. Man unterscheidet zwischen Flachgüssen (geringer Druck) und Druckstrahl-Güssen (Druck bis 3 bar). Darüber hinaus werden Temperatur-unterschiedliche Güsse angeboten (kalte Güsse, warme Güsse, heiße Güsse, wechselwarme Güsse, ansteigende Güsse von anfangs 30 bis ca. 43 Grad Wassertemperatur). Die Kneipp-Therapie richtet sich nicht nur an Patientinnen und Patienten mit den oben genannten Krankheitsbildern, sondern auch an Gesunde, um eine „Abhärtung“ zu erreichen. Die Patienten werden von unserer Bäderabteilung im Halbstundentakt eingeplant. Der jeweilige Kneipp-Guss beansprucht einen Zeitraum von eineinhalb bis vier Minuten. In der Bäderabteilung werden Schläuche mit einer Länge von bis zu zwei Metern eingesetzt. Durch die Kneippsche Anwendungen kann es gelingen, Schmerzmedikamente, die möglicherweise gefährliche Nebenwirkungen entfalten, einzusparen.

Darüber hinaus werden die Patientinnen und Patienten einer Kneipp-Kur dazu angeregt, nach dem Kuraufenthalt selbstständig „Reizreaktionen“ (natürliche Reaktion des Körpers auf Wärme oder Kälte) in Form von „Barfußlaufen“, „Wassertreten im seichten Wasser“ und „Tautreten“ (auf taufrischen Wiesen) durchzuführen.

Verfasser: Prof. Dr. med. Wolfgang Rössy